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Was Cambridge Analytica mit der Zukunft Ihrer Marke zu tun hat

Der Skandal um Cambridge Analytica und die abgefischten Facebook Nutzerdaten wirft ein Schlaglicht auf Brand Safety und Markenführung im vernetzten Zeitalter.

Wenn es um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte geht, schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Als Online-Marketer, aber auch als Nutzer, bin ich begeistert von den Möglichkeiten, die Big Data, Targeting und Personalisierung bieten. Intelligenter Einsatz von Daten und Technologie verbessert das Kundenerlebnis und bringt gleichzeitig wirtschaftlichen Nutzen für Werbetreibende sowie für digitale Plattformen und deren Betreiber. Eine Win-Win-Situation also. Toll!
Als Bürger und Beobachter des digitalen Wandels hingegen ist mir dabei immer ein wenig unwohl. Spätestens seit Edward Snowden wissen wir, dass unsere Daten niemals sicher sind. Und seit dem alten Testament wissen wir das: Was gemacht werden kann, wird auch gemacht.

Psychografisches Targeting als Wunderwaffe

Und so saß ich im März 2017 mit offenem Mund im Plenum der OMR Konferenz in Hamburg, als Alexander Nix, mittlerweile geschasster Chef der mythenumwobenen Analysefirma Cambridge Analytica, erklärte, wie man mit psychografischem Targeting einen Politikaußenseiter zum mächtigsten Mann der Welt macht:

Bei der von Nix vorgestellten Methode geht es darum, Menschen anhand sehr spezifischer Persönlichkeitsmerkmale wesentlich gezielter und individueller anzusprechen als mittels klassischer Targeting-Parameter wie Soziodemografie, Einstellungen oder Konsumverhalten. Jemand der weltoffen ist, ist auch offener für neue, innovative Produkte. Jemand der sparsam ist, reagiert stärker auf Rabatte als ein konsumfreudiger Hedonist. Und jemand der ängstlich ist, ist empfänglich für politische Botschaften, die Ängste bedienen oder schüren.

Dieses Wissen über Menschen ist der heilige Gral in der Marketingkommunikation. Die Frage ist: Wie kommt man an solche Daten? Bereits Anfang 2017 kursierte ein Artikel im Netz, der nahelegte, dass Cambridge Analytica solche Persönlichkeitsprofile unter anderem mithilfe von Facebook Nutzerdaten generiert hat. Beim OMR Vortrag blieb Mr. Nix bei dieser Frage vage und sprach von Aggregationen und Telefoninterviews.

Facebook hat die Büchse der Pandora geöffnet

Heute wissen wir es besser: Ein wichtiger Teil der Daten ist bei Facebook abgeschöpft und dann weiterverkauft worden. Möglich war dies durch kleine Apps, die Aktivitätsdaten von Facebook Nutzern einlesen und weiterverarbeiten können. Facebook bietet hierfür eine Schnittstelle, die von Thirdparty-Apps oder auch für Marketingkampagnen genutzt wird. Ich selbst war an einigen Projekten beteiligt, bei denen diese Schnittstelle für Personalisierungsgimmicks in Onlinekampagnen zum Einsatz kam. Eine nette kleine Spielerei. Obwohl das böse „Datenschutz“-Wort dabei hin und wieder mal fiel.

Und jetzt das: 50 Millionen Nutzerprofile abgeschöpft und für politisches Campaigning missbraucht. Und damit womöglich einem politischen Hasardeur an die Macht verholfen. Oder zumindest einen Teil dazu beigetragen. Das darf getrost als Sündenfall bezeichnet werden. Und Facebook hat sich offenbar nicht im Mindesten dafür interessiert – bis der Fall jetzt in die Medienöffentlichkeit gelang.

Neuland oder bald Schnee von gestern?

Wird dieser Skandal als Wendepunkt auf dem Weg ins digitale Neuland in die Geschichte eingehen? Oder siegen nach ein paar Tagen unsere Bequemlichkeit und unsere gut trainierten Verdrängungsreflexe? Als Nutzer und Kunden können wir die Sache auf sich beruhen lassen, wenn wir das so möchten. Als Marketer, Werbetreibende oder Digitalunternehmen sollten wir vorausschauend denken. Das Bewusstsein für Datenschutz, Datensicherheit und Datenkontrolle wird in reifen Industriegesellschaften wachsen. Langsam aber stetig. Was uns heute noch normal vorkommt, kann in wenigen Jahren wirken, wie ein merkwürdiges Relikt aus einer anderen Zeit.
So wie uns Kinderarbeit, Rauchen im Konferenzraum oder Autofahren ohne Sicherheitsgurt heute kaum noch vorstellbar erscheinen, kann es uns schon bald mit den AGBs von Instagram oder der Datenmacht von Google gehen. Was heute noch normal ist, kann morgen als verpönt gelten.

Safety first

Datenschutz und Data-Ownership werden in der Folge auch zu einem Hygienefaktor für die Reputation von Marken und Unternehmen werden. Ganz so wie wir es heute bereits von Umweltschutz, nachhaltiger Produktion und CSR kennen. Die Anforderungen von Kunden werden entsprechend der Entwicklung gesellschaftlicher Normen in diesem Bereich steigen.

Vorübergehende #Deletefacebook Empörungswellen sind lediglich erste Vorzeichen für diese Entwicklung. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Politik aufgewacht und zunehmend bereit für Regulierungen ist.

Noch greifen Unternehmen diesen Trend nur spielerisch oder halbherzig auf. Der Facebook Boykott von Dr. Oetker und das Aussetzen von Facebook Kampagnen wie bei der Commerzbank werden nicht von Dauer sein. Aber sie weisen den Weg: Unternehmen müssen sich mit diesem Thema zukünftig auf anderen Ebenen beschäftigen als lediglich auf der juristischen.

Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit Kundendaten im Unternehmen sondern zunehmend um eine angemessene Nutzung der immer verlockenderen Möglichkeiten, die die großen Digitalplattformen für Werbetreibende bieten. Was dabei als „angemessen“ gilt, wird ausgehandelt zwischen Zeitgeist, Politik, Recht und den Ansprüchen und Werten, die sich Unternehmen und Marken verordnen.

„Brand Safety“ erhält dadurch eine neue, erweiterte Bedeutung und wird zum relevanten Faktor für Markenführung im vernetzten Zeitalter.

 

Title Photo by  Matthew Henry


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Christian Münch

Ich bin freier Consultant und Workshop Moderator aus Köln. ich biete Beratung, Workshop-Formate und Konzeption für Strategie, Kundenerlebnis & digitale Transformation.

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